Exklusivinterview mit Erik Wolff, Vorstand der ICT AG und Vorstand in der Initiative Zukunftsfähige Führung (IZF)
Umsatzeinbrüche, Kurzarbeit, Geschäftsschließungen: Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Unternehmen sind weltweit massiv. Wie kommt die Wirtschaft nach dem Shutdown schnell wieder auf Touren? Einschätzungen von Experten aus unterschiedlichen Bereichen von Wirtschaft und Politik in der gemeinsamen Interviewreihe der CONCEPT AG und der Sympra GmbH (GPRA).
Erik Wolff, Vorstand ICT AG und Vorstand Initiative Zukunftsfähige Führung (IZF), Bildquelle: © ICT AG
Herr Wolff, in den vergangenen zwölf Jahren ging es mit der Konjunktur permanent aufwärts. Corona setzte dem ein Ende, abrupt und ohne Vorwarnung. Wie gehen Unternehmen mit dieser Situation, für die es keine Blaupause gibt, am besten um?
In der Tat gibt es für die Corona-Krise keine erprobten Modelle, auf die zurückgegriffen werden kann. Aber es gibt Parallelen zur Sanierung. Abstrakt betrachtet handelt es sich um einen Markteinbruch. Der Grund ist dabei zunächst sekundär. Die Wirkung ist maßgeblich. Die Unternehmen haben mit einer Explosion der Kosten und einem drohenden Liquiditätsengpass zu kämpfen. Man sagt uns Deutschen nach, wir bräuchten für alles einen Plan, bevor es losgeht. Dabei liegen einige Aufgaben klar vor uns. Da ergibt sich die Reihenfolge fast zwangsläufig.
Erster Schritt sollte die Prüfung und offensive Einführung der Kurzarbeit sein. Der Staat hat dieses Instrument ausdrücklich für solche Marktphasen vorgesehen. Dies entlastet auf der Kostenseite und vermeidet betriebsbedingte Kündigungen.
Zweiter Schritt wäre ein mehrstufiges Kostensenkungsprogramm. Von Sofortmaßnahmen über die Prüfung mittelfristiger Maßnahmen könnten Kostensenkungen alle Bereiche des Unternehmens auch dauerhaft betreffen. Die Anstrengungen zu Kostensenkungen müssen bis zum Ende der Krise konsequent erfolgen.
Dritter Schritt ist die Sicherung der Liquidität. Auch hier sollten die staatlichen Hilfen über die KfW-Programme sehr aktiv genutzt werden. Doch hier beginnen die ersten echten Probleme. Die Darlehensvergabe erfolgt über die Geschäftsbanken und richtet sich wie bisher nach der Ertragsgüte der Vorjahre. Volatiler Verlauf oder schlechte Zahlen könnten diesen Schritt bereits unmöglich machen. Und dann geht es ans Eingemachte.
Die angelaufenen Liquiditätshilfen mildern die finanziellen Auswirkungen vorübergehend. Aber wo kommen die Gewinne und Einkommen der Zukunft her?
Aus dem marktfähigen und ertragsstarken Angebotsportfolio der Unternehmen. Und zwar dem der Zukunft. Möglicherweise ist alles, was das Unternehmen bisher gemacht hat, obsolet. Das wäre dann tragisch. Hier schlägt die Stunde der wahren Strategen, der Innovatoren und der konsequent an den Märkten orientierten Unternehmen. Die beschäftigen sich permanent mit Änderungen des Bedarfs, investieren früh, passen ihre Organisation ständig an und gehen mutig mit neuen Leistungen an den Markt. Diese Unternehmen haben heute zwar auch Probleme, aber vermutlich weniger. Und sie haben gegenüber ihren Wettbewerbern einen Geschwindigkeitsvorteil, Stichwort Time to Market. Wer sich heute, also im Mai 2020, eingestehen muss, dass er in den nächsten Monaten an Wettbewerbsfähigkeit einbüßt oder sie ganz verliert, hat eine gewaltige Aufgabe vor sich. Er oder sie muss das Unternehmen in wenigen Monaten möglicherweise komplett neu erfinden, um wieder marktfähig zu werden. Diesen Job werden uns Politik und Staat nicht abnehmen.
Erklären Sie mal einem Mitarbeiter, dass er bei 100 Prozent Kurzarbeit auf 40 Prozent seines bisherigen Nettoeinkommens verzichten muss. Das ist für eine Familie mehr als ein harter Schlag. Und es kann uns alle noch härter treffen.
Digitalisierung, New Work, mehr Partizipation waren schon vor Corona Gründe, die Frage der Führung intensiv zu diskutieren. Welcher Stil bewährt sich jetzt, um aus der Krise herauszukommen?
Vermutlich keiner, der sich auf einem Bierdeckel erklären lässt. Und vielleicht auch keiner aus der reinen Lehre. Denn Konzepte und Theorien orientieren sich meist an empirisch unterlegten Modellen. Ich kann hier nur einen Vorschlag anbieten: Mut, Entschlossenheit und Empathie! Der Mut ist erforderlich, das Unmögliche zu denken, also Corona plus lange Rezession, um Rahmenbedingungen für die neue Geschäftsplanung festzulegen, die die größten Erfolgsaussichten der anschließenden Umsetzung bieten. Ist der Plan aufgestellt, ist die Entschlossenheit erforderlich, ihn umzusetzen. Gegen Widerstände in Belegschaft, Betriebsrat und Gewerkschaften, gegen Kritik aus dem Gesellschafterkreis oder in Leitungsgremien. Aber all das reicht nicht. Es bedarf der Empathie, alle im Unternehmen mitzunehmen. Für eine so unvermittelte und abrupte Kursänderung muss man werben. Man muss vermitteln. Und man muss das Verständnis für alle aufbringen, die davon betroffen sind. Erklären Sie mal einem Mitarbeiter, dass er bei 100 Prozent Kurzarbeit auf 40 Prozent seines bisherigen Nettoeinkommens verzichten muss. Das ist für eine Familie mehr als ein harter Schlag. Und es kann uns alle noch härter treffen. Vielleicht hätte ich noch die Demut anfügen sollen. Was meinen Sie?
Wir wissen nicht, wie die Welt nach Corona aussehen wird. Mit welchen Kompetenzen sind Manager und Mitarbeiter am besten für die Zukunft gerüstet?
Mit Zuversicht.